SOIZ IN DA SUPPN: eine Münchner Idyllenstudie
Wohnwagen, Jägerzaun, Schweinsbraten - diese Idylle bauen Sebastian Dickhaut und Ruth Geiersberger mitten in München auf. Wozu? Seht Küchengötter TV. Aber Achtung: Kunst!
„Wolln’s net an Schweinsbraten?” Irritiert schaut der Mann mit dem Stöpsel im Ohr kurz zur Seite, dann zieht er sein Business-Sakko straff und eilt stumm in Richtung Maximillianstraße davon. Was soll er auch sagen zu so einem Anblick: Da steht in Münchens bester Lage zwischen Staatsoper und Maßschuhmacher ein alter Wohnwagen mit Biergartengarnitur und Jägerzaunrahmen, an dem eine Wirtshaustafel lehnt: „Heute SOIZ IN DA SUPPN. 12-14 Uhr Idylle”. Und dann quatscht einen auch noch diese Kellnerin in gelber Strumpfhose schräg an.
Die Kellnerin heißt Ruth Geiersberger, ist Schauspielerin und Performerin und will heute mit dem Koch, Autor und Küchengötter-Gastgeber Sebastian Dickhaut Passanten in ihre mobile Instant-Idylle locken. Warum? „Wir wollen sehen, wie sich einander fremde Menschen in einer befremdlichen Situation verhalten, die viel zu schön ist, um wahr zu sein: eine private Urlaubsidylle an einem der schönsten Plätze der Stadt; ein Stück Biergarten, in dem einem alles geschenkt wird.”
„12 Uhr: Damen mit Halsketten”
Spricht’s und stürzt auf ihr nächstes Opfer zu – eine Dame im luftigen Leinenkleid mit Perlenkette, Typ Münchner Kulturbürgerin. „Haben Sie nicht Lust, bei uns Platz zu nehmen? Wir machen eine kleine Idyllenstudie, Kunst, wissen sie. Es gibt was zu essen.” Die Dame hat Lust. „12 Uhr: Damen mit Halsketten” notiert die Serviceverrichterin auf der Tafel, fünf Minuten später ist die der Sechsertisch voll und das Irritationsmenü beginnt.
Wie essen die Leute was und warum, wer formt die Serviette zum Knödel und wer hebt sich die Kruste bis zum Schluss auf – Geiersbergers Mundwerk und Dickhauts Kamera halten alles fest. Derweil wechseln die Gäste im Halbstundentakt: Männer ohne Krawatte und Männer mit Radlerhosen, ein Taxlerin mit ihren Fahrgästen, zwei fremdenführende Schauspieler und drei Experimentalmusiker von der Oper, ein philosophischer Reisebüroleiter mit Tochter aus Wien und ein Diamantenschleifer samt Freunden und Famile aus Südafrika , am Ende doch noch ein Unternehmensberater und zwei Banker im Anzug – bunter geht’s nimmer in München.
Zum versalzenen Idyll
Wie kommt man auf so was? Und wie schafft man es damit auf solche Logenplätze (eine Wiese vorm Dallmayer und das Deutsche Museum liegen auch noch auf der Route)? Zum einen jährt sich 2008 zum 850. Mal, dass München mit der Salzstraße Geld und Macht an die Isar umleitete. Dazu wird das Backhaus Rischart hier 125 Jahre und deren Kunstprojekt Risch_Art zehn Jahre alt – weswegen man Künstler zu Denkmälern entlang der alten Salzstraße eingeladen hat. „SOIZ IN DA SUPPN” ist das präsenteste und vergänglichste.
Zwischen „Löffelkraftbrühe” und „einer Ahnung von Schweinebraten” erklärt der Zugereiste Sebastian Dickhaut, wie er die Stadt sieht: „München gilt als modernes Idyll. Hier macht man im Biergarten globale Geschäfte, rast danach ohne Tempolimit in die Alpen und darf dort so viel essen wie man will – man bleibt trotzdem schlank und schön wie Uschi. Wer aber spät ins Hofbräuhaus gerät oder Weißwurst in Scheiben schneidet, merkt schnell, dass dieses Idyll auch grob werden kann.” Und dann kann einem das die Suppe schwer versalzen, was ihr eben noch die richtige Würze gegeben hat. Auch das ist typisch München.
Die Stationen der Idyllenstudie
2. und 3. Juli 2008 12-14 Uhr Max-Josephs-Platz (vor der Staatsoper)
9. und 10. Juli 2008 12-14 Uhr Marienhof (Wiese hinterm Rathaus)
16. und 17. Juli 2008 12-14 Uhr Neuhauser Straße (Jagd- & Fischereimuseum)
27. Juli (Finalidylle) 12-16 Uhr Ludwigsbrücke (Deutsches Museum)